DIE SVP VERLIERT BEIM PANASCHIEREN
Die SVP ist die Siegerin bei den Kantonsratswahlen im Toggenburg: am meisten Stimmen, am meisten Sitze, die stärkste Jungpartei. In der Panaschierstatistik muss die Partei aber Federn lassen.
Ein Blick in die Panaschierstatistik im Wahlkreis Toggenburg offenbart Überraschendes. CVP und FDP sind sich näher, als man denken könnte, und SVP-Wähler sind weniger diszipliniert, als man erwarten würde.
Bei den Kantonsratswahlen können die Bürgerinnen und Bürger mit dem Wahlzettel zweierlei Präferenzen kundtun. Einerseits wählen sie jene Kandidierenden, die sie nach St. Gallen schicken möchten. Andererseits geben sie mit der Listenbezeichnung auch ein Votum ab, welcher Partei sie sich am nächsten fühlen. Die Parteizugehörigkeit der präferierten Kandidierenden muss dabei nicht mit jener Partei übereinstimmen, die für die Listenbezeichnung den Vorzug erhält. Wer grundsätzlich der SVP nahe steht, kann seine Liste entsprechend bezeichnen und trotzdem einen Kandidaten der CVP aufführen. Das nennt sich dann Panaschieren und führt im Nachgang der Wahlen zu verschiedenen Auswertungen, die auch gerne für die Erklärung des Resultats herangezogen werden.
Panaschierköniginnen im Toggenburg sind die CVP und die FDP. Die CVP holt 6522 Stimmen auf Listen mit anderen Parteibezeichnungen, rund 17 Prozent ihrer gesamten Stimmen. Bei der FDP sind es zwar nur 5789 Stimmen, das macht dafür rund 20 Prozent ihrer Gesamtstimmenzahl aus. Die SVP ist in dieser Statistik mit nur 2681 so erhaltenen Stimmen – rund 5 Prozent ihrer Gesamtstimmenzahl – weit abgeschlagen.
Viel überraschender als die nackten Zahlen der so gewonnenen Stimmen ist aber die Analyse, wer an wen Stimmen abgibt. So zeigt sich nämlich, dass die Toggenburger Wählerschaft der FDP und der CVP weiterhin eine ähnliche Position zuzuschreiben scheint. Die Stimmen, die die FDP auf CVP-Listen gewinnt, verliert sie nahezu alle wieder auf eigenen Listen an die CVP. Einen Kandidaten mit einem der jeweils anderen Partei auszutauschen, scheint für ähnlich viele Wähler der beiden Parteien kein Problem zu sein. Eher hätte man diese Erkenntnis bei der FDP und der SVP erwartet. Schliesslich sind sich die beiden Parteien im Kantonsrat oft sehr nahe. Es zeigt sich jedoch ein so nicht unbedingt zu erwartendes Bild. Auf FDP-Listen gehen nur 999 Stimmen an die SVP, während es in die andere Richtung satte 2440 sind. Offenbar sehen SVP-Wähler Kandidaten der FDP bedeutend häufiger als valable Alternative als im umgekehrten Fall.
Sowieso scheinen die SVP-Wähler häufig für andere Parteien zu votieren. An die CVP verliert die Volkspartei auf eigenen Listen ebenfalls viele Stimmen – über 3000 sind es hier. Auch wenn die SVP an andere Parteien kaum noch Stimmen abgibt, insgesamt verliert sie mit Abstand am meisten Stimmen durch eigene Listen, die von den Wählenden panaschiert wurden. 6431 Stimmen gehen der Partei so verlustig. Bei der CVP, die am zweitmeisten verliert, sind es bereits nur noch 4123.
Auch die Betrachtung des Saldos ist für die SVP im Thur- und Neckertal nicht erfreulicher. Für sie resultiert durch das Panaschieren ein Minus von 3750 Stimmen. Damit liegt sie auf dem letzten Platz. Die EVP, die hier auf dem zweitschlechtesten Platz liegt, verliert nur 919 Stimmen. Die FDP (+2202) und die CVP (+2399) führen die Statistik an. Der Unterschied von der CVP zur SVP beträgt also über 6000 Stimmen.
Doch auch mit einer besseren Panaschierstatistik hätte die SVP keinen zusätzlichen Sitz gewonnen, obwohl sie damit ihren Wähleranteil theoretisch um mehrere Prozent hätte steigern können. Trotzdem sollte der Partei die Statistik zu denken geben. Wenn ein Kandidat auf fremden Listen Stimmen holt, spricht das sowohl für eine breite Bekanntschaft als auch für einen guten Leistungsausweis. Die SVP kann zwar auf eine grosse Stammwählerschaft zählen, mit einzelnen Kandidierenden bei den Stammwählern anderer Parteien zu punkten, scheint ihr jedoch bedeutend schwerer zu fallen. Noch bemerkenswerter: Offenbar werden die eigenen Kandidaten auf der SVP-Liste gerne mit Kandidaten anderer Listen ausgewechselt. Die grosse Stammwählerschaft scheint sich zwar mit der Partei verbunden zu fühlen, weniger jedoch mit einzelnen Kandidierenden. Um daran etwas zu ändern, sind die Themen entscheidend, die für das Toggenburg von grosser Bedeutung sind. Wer hier im Sinne der Region stimmt, darf auf Stimmen jener Wählenden hoffen, die ansonsten eher andere Parteien präferieren.
Dieser Artikel erschien am 5. März 2016 im Toggenburger Tagblatt.