Datenjournalismus – Toggenburger Tagblatt

Das Bauernhofsterben hält an

Innert Jahresfrist hat die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe im Toggenburg erneut um fast zwei Prozent abgenommen. Wer überleben will, setzt auf grössere Flächen und mehr Hühner.

Noch 1198 Landwirtschaftsbetriebe bestanden Ende 2016 im Toggenburg. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist das ein Rückgang um 23 Betriebe (–1,88 Prozent). Seit 2010 ist gar mehr als jeder zehnte Betrieb verschwunden (–147 Betriebe oder –10,93 Prozent). Für Andreas Widmer, Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands, liegt die Ursache in erster Linie darin, dass viele Bauern keine Nachfolge finden. «Wenn ein Betriebsleiter in Pension geht, ist das oft gleichbedeutend mit der Schliessung», sagt er. Teilweise seien die Betriebe schlicht zu klein, als dass sie  jemand übernehmen wolle. «Das ist eine Art natürlicher Strukturwandel», erklärt Widmer.

Tatsächlich, betrachtet man die Zahlen der landwirtschaftlichen Strukturerhebung genauer, zeigt sich: Vor allem kleine Betriebe bekunden Mühe. Die Anzahl Betriebe mit weniger als zehn Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche ist innert eines Jahres erneut um rund 5 Prozent gesunken, seit 2010 gar um rund 22 Prozent. Auch die Anzahl mittelgrosser Betriebe hat sich verringert, allerdings weniger stark. Im Vergleich mit 2010 sind 12,64 Prozent weniger Betriebe mit einer Fläche zwischen 10 und 30 Hektaren vorhanden. Gestiegen ist hingegen die Anzahl der grossen Betriebe (über 30 Hektaren). Die 148 Betriebe bedeuten ein Plus von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und gar von rund 41 Prozent gegenüber 2010. Entsprechend ist auch die durchschnittliche Grösse eines Betriebs gestiegen. Diese beträgt neu 17,8 Hektaren (2010: 15,9 Hektaren). Seit 2014 ist die Fläche noch wichtiger «Der Boden steht als wichtigste Ressource im Zentrum», sagt Widmer. Mit der neuen Agrarpolitik gelte das seit 2014 noch verstärkt. «Seither ist das Direktzahlungssystem eng an die Fläche gekoppelt.»

Nicht nur die Grösse ist entscheidend für das Fortbestehen eines Betriebes, sondern auch seine Ausrichtung. Schweine werden seit 2010 immer weniger gehalten. Von damals 36 786 ging die Zahl auf 32 591 runter. Beim Rindvieh pendeln die Zahlen um etwa 38 500. Die grösste Veränderung ist bei den Nutzhühnern zu beobachten. Ihre Anzahl steigert sich kontinuierlich. Alleine im letzten Jahr sind noch mal 28 564 Hühner dazugekommen (+20 Prozent). Würde man diese Zahlen auf die Einwohnerinnen und Einwohner des Toggenburgs umrechnen, erhielte jeder und jede 3,64 Hühner zugesprochen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein halbes Huhn mehr. Knapp ein Drittel dieser Hühner wird in der Statistik als Legebeziehungsweise Zuchthühner ausgewiesen. Die restlichen, also rund zwei Drittel, fallen in die Kategorie der übrigen Nutzhühner. Darin enthalten sind die Mastpoulets.

Trend geht zu Poulet

Bei diesen Mastpoulets ortet Widmer denn auch die Ursache für das Wachstum. Es seien einige Ställe gebaut worden. «Der Trend im Markt geht in diese Richtung. Die Konsumentinnen und Konsumenten essen heute mehr Poulet», erklärt er. Zusätzlich würde heute auch weniger importiert als noch vor einigen Jahren. Der Trend hin zur Hühnerzucht könnte sich im Toggenburg bald nochmals verstärken. Die Migros plant im Gebiet Lütisburg-Station einen Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb für Geflügel. Aber auch abgesehen von diesen Plänen, Widmer sieht keine Anzeichen einer Trendumkehr. «Es gibt noch weiteres Potenzial für die Geflügelhaltung», ist er sicher. Vielleicht werde aber die Milchkuhhaltung in Zukunft abnehmen. «Der Druck ist hier schon sehr hoch», sagt Widmer. Diese Betriebe würden aber vermutlich einfach umstellen, zum Beispiel auf die Mutterkuhhaltung oder auf Weidemast. «Viele Optionen gibt es im Toggenburg aufgrund der Topografie nicht», erklärt Widmer. Mit der abnehmenden Anzahl Betriebe ist, wenig erstaunlich, auch die Anzahl Beschäftigter weiterhin abnehmend. 2016 arbeiteten noch 2768 Personen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, ein erneutes Minus von über zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.


Dieser Artikel erschien am 2. August 2017 im Toggenburger Tagblatt.