Klubportrait – St.Galler Tagblatt

Die Möwen fliegen in die Premier League

Drei Runden vor Schluss sichert sich Brighton & Hove Albion einen Platz in der höchsten englischen Liga. Damit setzen die Seagulls den Schlussstrich unter eine Odyssee, die in den 1990er-Jahren begann.

Am Ostermontag um 18.55 Uhr Ortszeit war es definitiv. Huddersfield Town, der letzte verbliebene Konkurrent Brightons um den direkten Aufstieg in die Premier League, holte bei Derby County nur ein Unentschieden. Als dort abgepfiffen wurde, hatten die Anhänger der Seagulls schon zwei Stunden gefeiert. Nach ihrem 2:1-Heimsieg im Nachmittagsspiel gegen das akut abstiegsbedrohte Wigan konnte Huddersfield nur noch theoretisch aufschliessen.

Lange hatte man in der englischen Küstenstadt darauf gewartet, einen Schlussstrich unter die Odyssee zu ziehen, die 1993 mit dem Einstieg von Bill Archer begann. Der Betreiber einer Baumarktkette übernahm den Verein für 56 Pfund und 25 Pence und verkaufte später den Goldstone Ground, die Heimstätte des Clubs, für rund sieben Millionen. Als dort 1997 das letzte Spiel bevorstand, war der Verlust des Stadions aber nicht das einzige Problem.

Über 100 Kilometer entfernt im Exil

Bis zuletzt musste sich Brighton in der Saison 1996/97 gegen den Abstieg aus der vierthöchsten Liga und damit aus dem Profifussball wehren. Der Klassenerhalt gelang, doch ohne Stadion musste der Club ins mehr als 100 Kilometer entfernte Gillingham ausweichen. 1999 kam er zumindest in die Stadt zurück. Im kombinierten Leichtathletik- und Fussballstadion Withdean fühlte sich jedoch niemand wohl.

Präsident war da bereits der Geschäftsmann Dick Knight. Dieser versuchte mit einem Neubau den Fehler seines Vorgängers zu korrigieren. Der auserkorene Standort Falmer ragte in ein geschütztes Gebiet hinein. Zahlreiche Geschichten ranken sich um den Kampf für die Baubewilligung. Die breite Unterstützung verhalf schliesslich zum Erfolg. 2011 wurde das American Express Community Stadion, kurz Amex, eröffnet. Finanziert massgeblich von Tony Bloom, der auch das Präsidium von Knight übernahm.

Auch Toko stand in Brighton unter Vertrag

Damals war der Club gerade erst in die zweitklassige Championship aufgestiegen, doch Bloom, selber langjähriger Fan, wollte mehr. Und das gelang, mit Ausnahme der Saison 2014/15, in der auch St. Gallens Toko bei Brighton unter Vertrag, aber nie je auf dem Feld stand. Trainer war Sami Hyypiä, der später auch in Zürich erfolglos bleiben sollte. Ansonsten war Brighton regelmässiger Gast im Playoff, in dem die Dritt- bis Sechstplatzierten den letzten Aufsteiger ausmachen. Reüssieren konnte der Klub jedoch nie. In der aktuellen Saison sollte es deshalb ohne Umweg über das Playoff gelingen. Die Mannschaft von Trainer Chris Hughton hielt sich denn auch beständig auf den vorderen Rängen. Die Klasse des Teams zeigte sich auf praktisch jeder Position. Torhüter David Stockdale musste in 42 Spielen nur 36-mal hinter sich greifen, 20-mal spielte er zu null. Der Franzose Anthony Knockaert lieferte eine so gute Saison ab, dass er zum «Spieler des Jahres» gewählt wurde. Und ganz vorne schoss Rückkehrer Glenn Murray so viele Tore – mit 22 Treffern liegt er auf Platz zwei der Torschützenliste –, dass man ihm selbst den zwischenzeitlichen Aufenthalt beim Erzrivalen Crys-tal Palace verzieh.

Zudem bildeten die Spieler offensichtlich nicht bloss eine Zweckgemeinschaft. Als im November Knockaerts Vater starb, reisten Trainer Hughton sowie mehrere Spieler zur Beerdigung nach Frankreich und standen dem Teamkameraden bei. Ein Zeichen für ein funktionierendes Teamgefüge.

Die Infrastruktur ist vorhanden

Nächste Saison spielt Brighton & Hove Albion nun also in der Premier League. Dafür ist es gut aufgestellt, wie Andy Naylor, Sportchef der örtlichen Tageszeitung «Argus», vor einem Jahr gegenüber dem österreichischen Fussballmagazin «ballesterer» ausführte: «Der Club hat ein Vermögen in das Stadion und in die Trainingsanlagen gesteckt. Das Geld, das andere Clubs nach einem Aufstieg für solche Posten ausgeben müssen, kann Brighton in das Team investieren.» Diese Investition dürfte denn auch nötig sein. Trotz der überzeugenden Saison in der Championship muss sich Hughtons Team verstärken, will es in der Premier League überzeugen.


Dieser Artikel erschien am 21. April 2017 im St.Galler Tagblatt.